Gegenwartsliteratur, Pulp Fiction und die Deutsche Einheit
Die 90er waren das letzte Jahrzehnt in echter Freiheit, in Demokratie, in unbeschwerter Lebenslust. Wenn wir ehrlich sind, danach gings bergab, den Bach runter und zwar so richtig. Eine Lieblingskneipe nach der anderen machte dicht, Rauchverbot, schlecht bezahlte Jobs, wahnsinnige Präsidenten, Rechtsruck und ständig hält dir einer ein veganes Würstchen unter die Nase. Meinungsfreiheit mag zwar weiterhin erlaubt sein, aber verdammt, die 90er waren cool, die Leute waren cool und die Zeit war cool, genau wie Pulp Fiction cool war, mit dem coolsten aller Sprüche:
„Der Pfad der Gerechten ist auf beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei der, der im Namen der Barmherzigkeit und des guten Willens, die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleitet, denn er ist der wahre Hüter seines Bruders und der Retter der verlorenen Kinder. Und ich werde große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen meine Brüder zu vergiften und zu vernichten. Und mit Grimm werde ich sie strafen, dass sie erfahren sollen, ich sei der Herr, wenn ich meine Rache an ihnen vollstreckt habe!“
Wir spielten unsere Musik auf Kassetten, kauften die ersten CDs und zockten mit dem Gameboy, bis uns der Techno in die Diskotheken führte. 180 Beats pro Minute waren der Taktgeber für Drogen wie Speed, Pillen und Trips. Einzig musikalisch spielten die 90er nicht in der ersten Liga, weshalb wir uns an die Songs aus den 60er und 70ern hielten. Naja, zumindest bis Nirvana die Bühne betrat und klar, es gab Die Ärzte, Die fantastischen Vier und Die Toten Hosen, aber es gab auch Dr. Alban, Snap, Die Söhne Mannheims, Moses P und Ace of Base. Die deutsche Einheit wurde besiegelt, der Golfkrieg gewonnen und gegen die Jugoslawienkriege demonstriert. Selbst der alte Klassenfeind streckte die Waffen und lief zum Kapitalismus über, wodurch sich die USA zur letzten Supermacht auf Erden ausriefen.
Eine glorreiche Zeit, auch wenn die Saat des Bösen bereits gelegt war. Die ersten Mobiltelefone tauchten auf und das Internet streckte, damals noch unschuldig, seine schmierigen Fühler aus. Besonderen Spaß bereitete damals noch das Fernsehen. Stefan Raab hing bei VIVA rum und Harald Schmidt moderierte seine LateNightShow. Der absolute Star aber war Thomas Gottschalk mit Wetten, dass. Wobei alle Sendungen gemeinsam mit der Familie oder Freunden geschaut wurden. Simpsons, Eine schrecklich nette Familie oder Ein Colt für alle Fälle, mit der unverschämt gut aussehenden Jody. Echte Helden mit Ecken und Kanten, eben keine rundgeschliffenen, politisch korrekte Arschkriecher. Man durfte noch seine Meinung sagen, behielt sie aber für sich, um anderen nicht auf die Nerven zu gehen.
Auf den Hintern der Mädels prangerte das Arschgeweih, guter Lesestoff war rar, VIVA wurde geboren und das Tamagotchi wollte gefüttert werden. In den Bücherregalen standen Djian, Schamoni und Heinz Struck. Petty Blue war schon was Besonderes und ja, ich wollte auch Hausmeister werden. Es war meine Zeit, als ich jung war und mir die Welt zu Füßen lag. Die Luft roch besser, der Himmel war blauer, die Zigaretten schmeckten besser und der Joint war stets prall gefüllt. Die beste Zeit, die ich hatte und genau deshalb hab ich „Engelhorn – die wunderbare Sinnlosigkeit der Jugend“ geschrieben. Ein Hoch auf die 90er! Ein Prost auf das Leben!
„Was ich brauchte, war ein Wunder, mehr nicht. Warum sollte auch kein Wunder geschehen? Wunder gibt es jeden Tag, überall in der Welt, selbst im abgelegensten Winkel, warum also nicht auch für mich?“
Haltet die Ohren steif, lest Gegenwartsliteratur, guten Lesestoff und Gedichte!
Euer
Terence
Es gibt sie immer noch, die guten Zeiten. Man muss sie sich nur nehmen:-) und immer wieder offen sein für was Neues. Ich liebe Nirwana, nicht nur als Musik sondern auch um all das langweilige dorthin zu schicken. Toll geschrieben! Freue mich immer wieder auf deine Gedanken. Wunderschönen Tag Süsses Gift
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Klar, für mich waren die 90er halt so toll, weil ich da jung war und klar, Nirvana war und ist der Hammer. Dir auch einen schönen Tag!
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Was für dich die 90er waren, ist bei mir das Jahrzehnt der 80er.
In den 90er fühlte ich mich nicht mehr so jung, das kam dann erst in den 2000er wieder.
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In den 80ern war ich noch ein Kind, am Ende ein Jugendlicher. 90er dann erwachen, mehr oder weniger 😉
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Zum Ende der 90er war jedenfalls die Musik richtig gut und das hat mich dann auch wieder wachgerüttelt 😉
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Welche Bands meinst du?
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Ich würde das gar nicht unbedingt an einer Band ausmachen, sondern viel mehr am Stil. Techno wurde ausgebaut und „verfeinert“. Das hat mir gut gefallen. Dieses Larifari der End-80er und Anfang der 90er fand ich ziemlich langweilig
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Ah, Techno. Klar, wobei das bei mir eine reine Discoliebe war oder im Auto. Zuhause könnte ich das nicht geben.
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Das ist herrlich beim Putzen und so richtig schön laut, wenn der Staubsauger läuft
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JAWOHL, mit 180 Beats durch die Wohnung. In der Anfangszeit gabs sogar welche, die sind mit Staubsauber auf dem Rücken in die Disco oder Gasmaske und so. Eine Zeitlang war das so.
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Alles, nur nicht langweilig sollte es sein. Das war schon richtig klasse.
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Ja, diese 90er hatten es in sich, weckten viele Hoffnungen, Mauerfall, Ende verkrusteter (östlicher Strukturen), Ende kalter Krieg, starke friedliche und vernünftige Ideen, Freude, Tanz, schöne Musik (Snap „The Power“; Frank Zander „Hier kommt Kurt“, The Scorpions „Wind of Change“, Laid Back „Bakermann“, Seal „Crazy“ … einfach wunderbar erfrischend).
Was wir damals allerdings nicht sahen, auch nicht ahnten, diese verkrusteten hinterhältigen Strukturen von Gier und Korruption im Westen, die nun in diesen Tagen immer mehr ans Licht gebracht werden: Personalisierung des Menschen, falsches Geld, Plünderung der Person über verborgenes Vertragsrecht bis zum Tode.
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Ja, schon klar, allerdings gab es Gier und Korruption schon immer und nicht nur im Westen, sondern überall auf der Welt.
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„Was ich brauchte, war ein Wunder, mehr nicht. Warum sollte auch kein Wunder geschehen? Wunder gibt es jeden Tag, überall in der Welt, selbst im abgelegensten Winkel, warum also nicht auch für mich?“
Diese Sätze haben mich so sehr berührt! Ich wünsche jedem Wunder, auch dir lieber Terence. Deinen Schreibstil und allem, deiner Familie und dir und jedem anderen auf dieser Welt, wünsche ich Gutes und Wunder.
Liebe Grüße,
jana
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Wunder gibts es nie genug auf der Welt!
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Da hast du Recht
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